DIE PERFEKTE WELLE

Die höchste surfbare Welle der Welt im Wellenwerk Lichtenberg
Seit Anfang Juni ist das Wellenwerk in Lichtenberg wieder geöffnet. Profis und Anfänger können unter fast gleichen Bedingungen wie vor dem Lockdown surfen. Das Restaurant, die Bar und der Biergarten sind jetzt ebenfalls in Betrieb.
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In einer Halle auf dem ehemaligen Gelände der Wasserbetriebe Lichtenberg wird heute eine künstliche Welle erzeugt.
In einer Halle auf dem ehemaligen Gelände der Wasserbetriebe Lichtenberg wird heute eine künstliche Welle erzeugt.
Die höchste surfbare Welle der Welt – wer hätte das gedacht – trifft an der portugiesischen Küste in Nazaré, auf halber Strecke zwischen Lissabon und Porto, auf Land. 35 Meter hoch können die Brecher werden – Profis bezwingen sie im Winterhalbjahr.

Auch in Berlin kann man seit Ende letztes Jahres Wellenreiten – und sogar hier sind Superlative garantiert. Mit einer Welle von 1,60 Metern Höhe bietet das Wellenwerk die höchste Indoor-Surfwelle der Welt. Mit einer Breite von 8,50 Meter ist sie zudem die breiteste in ganz Deutschland.

Erst seit November 2019 war das Wellenwerk in Lichtenberg offen – dann kam der coronabedingte Lockdown. Zwischen dem 16. März und dem 1. Juni blieben die Türen zu.

Die Freude war groß, als es Anfang Juni wieder losging. Seither tragen die Mitarbeiter Masken, die Surflehrer – sofern sie Körperkontakt haben, was vor allem bei Anfängern der Fall ist – Handschuhe. Ansonsten hat sich kaum etwas geändert. Die Surfer sind ohne Mund- und Nasenschutz im Wasser, nur wenn sie durch die Halle gehen, etwa zu den Umkleiden, ist die Maske Pflicht. Das Surferlebnis als solches ist ungetrübt. Zwölf Leute werden maximal pro Gruppe betreut. So kann auch der nötige Abstand eingehalten werden.
                           
Pizzasurfen: Nicht nur auf dem klassischen Board macht es Spaß auf und in der Welle.
Pizzasurfen: Nicht nur auf dem klassischen Board macht es Spaß auf und in der Welle.
Mit von der Partie war bereits Sebastian Steudtner, einer der besten Big Wave Surfer der Welt
Surfen ist – wie zum Beispiel auch Skifahren – eigentlich eine Sportart, die man in der Natur betreibt. Doch Wellen sind in Berlin nicht vorhanden. Das Meer ist hunderte Kilometer weit weg. Die schönsten Surferparadiese sind erst nach etlichen Flugstunden erreichbar (und derzeit eingeschränkt). Die Spree fließt außerdem viel zu langsam dahin. Eine Welle, wie etwa in München an der Isar, ist hier nicht realisierbar.

Deshalb haben sich Julius Niehus und sechs weitere Freunde dazu entschieden, eine künstliche Welle in einer Halle zu erzeugen. Auf dem ehemaligen Gelände der Berliner Wasserbetriebe in Lichtenberg haben sie den idealen Standort gefunden. Nach langwierigen Planungsarbeiten und diversen Schwierigkeiten mit Behörden und Baufirmen konnten sie das Wellenwerk Ende 2019 eröffnen.

Von Beginn an haben die Berliner das Angebot gut angenommen. Obwohl Surfen in der Hauptstadt nicht der Sport schlechthin ist, gibt es offenbar genug Begeisterte, die sich in die Fluten stürzen. Vor allem an Wochenenden und in den Ferien kommen sie. Aber sogar an einem werktäglichen Nachmittag ist das Becken recht voll. Gerade üben Anfänger, sich auf dem Brett zu halten – und zeigen dabei unglaubliches Geschick. „Schon in der ersten Stunde schafft man es in der Regel, von rechts nach links zu surfen“, verspricht Niehus, einer der Gesellschafter und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit.

Sobald man die Eingangstür geöffnet hat, ist man in einer anderen Welt. Die feuchte Wärme wähnt einen in den Tropen. Man erblickt sofort das Becken. An der Stirnseite sowie rechts, leicht erhöht, stehen Stühle, Tische und Sofas. Ein paar Zuschauer lümmeln sich darin und sehen den Wellenreitern zu. Es sind weniger als vor der Coronakrise. Sie müssen Masken tragen.
„Die Gäste gehen nach der Stunde mit einem Grinsen nach Hause oder zur Arbeit“
Vor der Welle: Im Wellenwerk hat man sich zum Ziel gesetzt, umweltschonend mit Ressourcen umzugehen.
Vor der Welle: Im Wellenwerk hat man sich zum Ziel gesetzt, umweltschonend mit Ressourcen umzugehen.
Mit einer Welle von 1,60 Metern Höhe bietet das Wellenwerk die höchste Indoor-Surfwelle der Welt.
Zum Reden ist es ein bisschen zu laut, das Tosen der Welle zwingt einen, die Stimme arg zu heben. Also trifft man Niehus im Besprechungsraum. Dort erzählt er, wie die Idee zum Wellenwerk Gestalt annahm: Die Freunde landeten, wie so oft, nach einem traumhaften Surftrip auf Bali bei fünf Grad und Nieselregel in Tegel – und fanden: Das ist traurig. Es müsste doch möglich sein, auch in Berlin zu surfen, das Gefühl vom Strand in Asien in die Großstadt zu holen.

Gesagt, getan. Nicht ganz ohne Hilfe. Die Technik haben sich die Gründer und Gesellschafter von einer Firma aus Martinsried bei München eingekauft, der „Action – Team Veranstaltungs GmbH“ mit ihrer eingetragenen Marke „citywave“. Das Unternehmen hat mehrere sogenannte stehende Wellen installiert, unter anderem in München, Zürich, Tokio und Madrid.

Schon vor dem Lockdown, kurz nach Eröffnung, hatte sich das offenbar herumgesprochen. Die Kurse waren fast immer ausgebucht, sagt Niehus. Seit der Wiedereröffnung ist die Anlage annähernd genauso gut frequentiert. Rund 42 Euro kostet eine Stunde – erfahrene Trainer sowie Neoprenanzüge und Boards inklusive. Man kann aber auch sein eigenes Equipment mitbringen. Davon machen vor allem die Profis Gebrauch. Sie kommen ins Wellenwerk, um ihre Technik zu präzisieren. Mit von der Partie war unter anderem bereits Sebastian Steudtner, einer der besten Big Wave Surfer der Welt, der Mann, der in Nazaré die Monsterwelle reitet.

Die Anfänger hingegen freuen sich, dass alles was man braucht zur Ausleihe bereitsteht. Für Kinder, die ab acht Jahren willkommen sind, steht sogar ein Helm zur Verfügung. Die Fortgeschrittenen wiederum genießen einfach den Spaß zwischendurch. „Sie gehen nach der Stunde auf dem Brett mit einem Grinsen nach Hause oder zur Arbeit“, weiß Niehus aus Erfahrung.

Zwei Euro für Öko

Das Wellenwerk ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Der umweltschonende Umgang mit den Ressourcen gehört zum Konzept. So wird die Anlage zum Beispiel zu 100 Prozent mit Ökostrom aus Wasserkraft betrieben. Das Wasser schießt über eine Rampe und lässt dadurch die Welle entstehen. Ein innovatives Wärmerückgewinnungssystem sorgt dafür, dass kaum Energie verloren geht. Sie wird nicht nur für die Erwärmung der gesamten Halle und des Brauchwassers, sondern sogar für Nachbargebäude genutzt. Im Eintrittspreis von rund 42 Euro pro Stunde ist übrigens eine Ökostrompauschale von zwei Euro enthalten. Überdies regt das Wellenwerk seine Besucher zur umweltschonenden Anreise per Bahn oder Fahrrad an.
Doch nicht nur Wasserratten zieht es ins Wellenwerk. Seit Anfang August sind auch das Restaurant und die Bar geöffnet. Ende August hat außerdem der Biergarten mit 400 Plätzen seinen Betrieb aufgenommen. Des weiteren wurde ein Shop mit Surfkleidung eröffnet. Wegen Corona hat sich alles ein bisschen hingezogen. Aber jetzt kann man hier Burger, Pizzen und Salate essen. Und jeden Freitag und Samstag gibt’s Musik dazu. Manchmal sogar live.
Sabine Hölper
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Anders schwimmen

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Überdacht
Deutschlands größte Schwimmbad-Traglufthalle öffnet in diesen Tagen in Wedding, nachdem Berlins Hallenbäder ihren Regel-Betrieb aufgenommen haben.
            
Die Traglufthalle im Kombibad Seestraße wurde schon zum zweiten Mal in der kalten Jahreszeit aufgebaut. Sie steht wieder dem Schul- und Vereinssport, aber auch „Normalschwimmern“ zur Verfügung. Die Konstruktion überkuppelt zwei 50-Meter-Becken. Das Provisorium ist ein zentrales Projekt für die Sanierung und Modernisierung der Berliner Bäder. Dazu gehören das Paracelsus-Bad in Reinickendorf und das Stadtbad Tiergarten. Durch die temporäre Hallenkonstruktion und zusätzliche Wasserflächen kann der Wegfall anderer Schwimmmöglichkeiten kompensiert werden. Allerdings unterliegt der Besuch den pandemiebedingten Vorschriften in geschlossenen Räumen. Dazu gehören: Abstand halten und außerhalb des Wassers eine Mund- Nasen-Bedeckung tragen!
Mehr Infos
berlinderbaeder.de
          
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FOTOS Julius Niehus, Wellenwerk, Theresa Lange, Berliner Bäderbetriebe

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